Zuletzt aktualisiert am 6. Februar 2023 von patrablo
Die erste Idee, auf Weltreise zu gehen, liegt jetzt knapp ein Jahr zurück. Die Kündigungen schrieben wir am 8. Dezember 2019 abends im Büro unserer alten Wohnung. Nach nur zwei Tagen Bedenkzeit ein ziemlich mutiger Schritt, wie wir damals fanden. Weg von der alt bekannten Sicherheit und rein ins Abenteuer (hier geht es zur Geschichte wie es zur Weltreise kam). Wir feiern ein Jahr – Entscheidung zur Weltreise!
Hier ein kleiner Rückblick auf unsere Gedanken und Erfahrungen der letzten 365 Tage.
War es wirklich eine gute Entscheidung?
Die ersten Tage nach der Kündigung waren ein echtes Wechselbad der Gefühle.
- War es wirklich richtig zu kündigen?
- Haben wir auch wirklich lange genug darüber nachgedacht?
- Kann man über so etwas überhaupt lange genug Nachdenken?
Ganz viele solcher Fragen geisterten uns durch den Kopf. Das kuriose dabei war, dass die Fragestellung direkt einen negativen Ausgang der Entscheidung beinhaltete. Wir sind so auf Ängste und Sorgen getrimmt, dass wir das positive manchmal gar nicht mehr sehen können/wollen. So ging es uns damals zumindest. Liegt vielleicht auch an den vielen gescheiterten Projekten/Dingen in unserem damaligen Berufsalltag.
Erst als wir uns folgende Fragen gestellt haben, kamen keinerlei Zweifel mehr auf:
- Welche neue Erfahrungen warten auf uns?
- Was werden wir alles lernen in dieser Zeit?
- Welche tollen Orte wir wohl demnächst besuchen werden?
- Was wird unser einschneidendstes Erlebnis auf unser Weltreise?
- Können wir uns überhaupt ausmalen wie toll das ganze wird?
Du merkst es vielleicht selbst, manchmal ist man so in Ängsten und negativen Gedanken gefangen, dass man das Positive erst gar nicht mehr sehen will/kann. Zu diesem Zeitpunkt war das „große C“ noch keine Pandemie und noch keiner dachte daran, dass Reisen bald nicht mehr möglich ist und trotzdem hatten wir einige Wenns und Abers im Kopf. Irgendwie ganz schön blöd im Nachhinein.
Die erste große Aufgabe
Der erste Punkt auf unserer Liste, vor welchem wir echt ziemlich Bammel hatten, war es den Plan unseren Eltern zu „beichten“. Eltern aus einer Generation, in welcher Reisen nicht selbstverständlich war. Urlaub außerhalb Europas war etwas ganz seltenes. Weltreisende waren echte Abenteurer, die es nur selten gab.
Kurz vor Weihnachten erzählten wir von unserem Plan. Die Jobs waren bereits gekündigt, die Wohnung sollte auf 30.06.2020 ebenfalls gekündigt werden. Wir geben alle „Sicherheit“ auf um die Welt zu bereisen und mehr konnten wir nicht beantworten. Wir glauben damit haben wir im Alter von damals 28 Jahren erneut für schlaflose Nächte bei unseren Eltern gesorgt (ganz sicher nicht das erste und wahrscheinlich auch nicht das letzte mal).
@Mama und Papa: Wir hoffen ihr habt euch von dem Schock so langsam erholt und könnt uns inzwischen ein wenig mehr verstehen. Wir haben euch unendlich lieb.
Unsere Eltern haben sich nicht viel anmerken lassen und wir sind uns sicher, dass sie die ersten Tage und Wochen auch ziemlich viel runter geschluckt haben. Klar ist es unser Leben, aber trotzdem sind wir immer noch ihre Kinder (und das ist auch gut so). Was uns extrem geholfen hat ist, dass wir uns in ihre Lage versetzt haben. Wir können uns noch sehr gut erinnern wie oft wir uns anfangs gegenseitig ermahnt haben, uns in die Lage der anderen zu versetzen. Im Beruf kam das öfters vor und war manchmal bestimmt nur als Floskel gemeint. Hier war es ganz wichtig, um die Sorgen der anderen verstehen zu können und darauf zu reagieren. Wir hoffen das kam auch so bei unseren Eltern an.
Leichtes Gepäck
Ein weiterer Punkt mit extremer Lernkurve war das Loslassen. Die Entscheidung was kommt weg und was behalten wir, Minimalismus (sind wir weit davon entfernt) ist hier das passende Schlagwort. Als Menschen aus dem Genre „Jäger und Sammler“ ziemlich hart. Der Prozess war für uns allerdings sehr lehrreich und befreiend. Am Anfang war es noch schwer, wurde mit der Zeit immer leichter und nach ein paar Wochen bzw. Monaten richtig befreiend. Wenn wir unsere Lagerbox heute anschauen, haben wir ganz sicher immer noch zu viel behalten und aufgehoben. Wir wissen aber auch wie viel wir verkauft, verschenkt oder entsorgt haben (unsere Wohnung hatte über 100qm). Trennen ist ein Prozess und man sollte es auch nicht übertreiben und zu viel „unter Zwang“ weggeben.
Bereits heute witzeln wir immer mal wieder darüber was wir einmal sagen werden, wenn wir unsere Lagerbox ausräumen und wieder sesshaft werden. So Sätze wie: „Warum haben wir das aufgehoben?“ oder „Das wolltest du behalten, nicht ich!“ werden dabei bestimmt fallen. Wir sind gespannt wie es wirklich kommen wird 🙂 .
Ein Jahr nach der Entscheidung können wir sagen, wir sind sehr froh um diese Erfahrung. Nach 10 Jahren in einer eigenen Wohnung tut es sehr gut einmal auszusortieren und RICHTIG aufzuräumen (nicht nur wenn Besuch kommt 🙂 ). Zumal wir jetzt sagen können, dass man echt nicht viel benötigt, wenn man in einem Auto oder aus einem Rucksack lebt.
Das „große C“ wird zur Pandemie
Wie jeder andere wahrscheinlich auch, erinnern wir uns noch genau an die Tage im Frühjahr wo Corona zu einer Pandemie erklärt wurde. Nicht nur unsere kleine „Testweltreise“ nach Patagonien (war schon seit Mitte 2019 als normaler Urlaub geplant, da gab es die Weltreisepläne noch nicht) fiel der Pandemie zu Opfer, nein, die ersten Sorgen wie es im Juli aussieht, wenn wir in den Flieger steigen wollen, schlichen sich in unseren Kopf.
War die Entscheidung wirklich richtig? Was sollen wir jetzt machen? Die Jobs und die Wohnung sind gekündigt und die Entscheidung rückgängig machen wäre zwar machbar aber nicht ganz so einfach. In dieser Zeit sprachen wir sehr viel über Ängste, Sorgen, Zukunft, Pläne und vieles mehr. Vielleicht so intensiv wie noch nie zuvor in unserer Beziehung.
Wir waren uns schnell einig, dass wir nicht so leicht aufgeben werden. Irgendetwas wird schon kommen bzw. zu bereisen sein. Wir schmiedeten viele Pläne über mögliche Reiseziele. In den meisten kam der Begriff Camper oder „zu Fuß mit dem Zelt“ vor. Sicher war aber gar nichts. Was würde in ein paar Wochen überhaupt möglich sein? Beantworten konnte das niemand und so wurden wir von heute auf morgen in eine komplett neue Welt geworfen. Wir, die für alles einen Plan hatten, die Freunde von Excel, Listen und Plänen bis ins Detail waren, mussten ohne Plan in die Zukunft schauen. Uns war klar, dass dies auf der Weltreise sowieso ganz von alleine kommt, aber bitte schleichend und nicht von jetzt auf nachher.
Wir brauchten ein Ziel
So ganz ohne ein Ziel war es aber doch schwierig für uns. So schmiedeten wir an zwei konkreten Plänen. Entweder fahren wir mit einem Camper an das Nordkap oder wir laufen zu Fuß durch Deutschland, von Nord nach Süd oder anders herum. Bei dem Camper gab es nur ein Problem. Wir wollten nicht viel Geld für einen Bus oder Van ausgeben und der Wohnwagen (welchen wir zu dem Zeitpunkt noch besessen hatten) kam für eine Fahrt ans Nordkap nicht in Frage.
Anfang Mai baute sich Julians kleiner Bruder ein Bett in seinen VW Touran. Wir hatten auch schon mit dem Gedanken gespielt in unserem Opel Astra Kombi zu schlafen, aber so ganz konkret war das noch nicht. Vor allem die niedrige Höhe des Kombis bereitete uns Kopfzerbrechen.
Was sind wir bereit an Geld von unserem Reisebudget für ein geeignetes Gefährt auszugeben, war die ständig präsente Frage. Die Antwort war uns nach ein paar Tagen klar. NICHTS. Europa war sowieso nur Plan B und dafür wollten wir nicht viel Geld ausgeben. Da blieb nur unser aktuelles Auto übrig. Also wurde geplant, gesägt und geschraubt was das Zeug hielt und nach nur drei Tagen hatten wir ein Bett und einiges an Stauraum in unserem Auto.
@Melwin (Julians kleiner Bruder): Danke für deine ein oder andere Idee, die Julians Pläne noch ein wenig verfeinert haben und natürlich die Hilfe beim Einbau.
Es ging los
Am 06.07.2020 fuhren wir mit unserem Camper „Zuhause“ bei unseren Eltern los. Ein ziemlich stressiges halbes Jahr mit vielen Hochs und Tiefs lag hinter uns. Aber wir haben es geschafft in nur einem halben Jahr unsere Wohnung aufzulösen, die bürokratischen Hürden in Angriff zu nehmen und eine grobe Route durch Europa festzulegen.
Sprichwörtlich platzte der Knoten und all der Druck und die Last fiel an diesem Tag von uns ab. Es war noch so vieles ungewiss und wir waren gespannt wie lange wir es in diesem kleinen Camper aushalten, aber wir waren unterwegs und nichts anderes zählte.
Nach 81 Tagen und ca. 10.600 km mit unserem Camper kamen wir wieder „Zuhause“ bei unseren Eltern an. Was wir in dieser Zeit gelernt und an Gedanken hatten, können wir alles gar nicht niederschreiben (lest die Reiseberichte 1-21).
– Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein! (abgedroschen aber wahr)
– Man braucht nicht viel Platz zum Leben!
– Der Mensch kann sich sehr schnell an Gegebenheiten anpassen!
– Europa ist ein wahres Juwel was Reiseziele anbelangt und wir wollen noch mehr von Europa sehen! (Plan B kann auch der Hammer sein wie man sieht)
– Ein Opel Astra ST (Sports Tourer=Kombi) kann sich wie ein Zuhause anfühlen!
– Begegnungen mit Menschen machen die Reise erst zu etwas besonderem!
…
Und jetzt?
Gerade sitzen wir in unserem Apartment im Süden Fuerteventuras und die Gedanken und Erinnerungen sprudeln nur so aus uns heraus. Dieser Text ist in nur wenigen Stunden entstanden, einer der am schnellsten von uns verfassten Texte bisher. Warum? Wahrscheinlich weil wir uns so gerne an all diese Dinge erinnern und die Gedanken einfach aus uns heraus sprudeln.
Haben wir unsere Entscheidung bereut? NEIN, zu keiner Sekunde. Obwohl es manchmal so aussah, als ob wir scheitern, ging es immer weiter. Wir haben so viel über uns selbst und den anderen gelernt. Mit Problemen und Sorgen gehen wir ganz anders um und Pläne sind zwar toll, aber die besten Geschichten schreibt das Leben durch Begegnungen, die man vorher sowieso nicht planen kann.
Wir hoffen du konntest aus unseren Gedanken für dich persönlich auch ein wenig mitnehmen.
Melanie & Julian von patrablo
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